Die Reitmeister

 

Ich fand es immer spannend etwas über die Reitmeister der vergangen Jahrhunderte / Jahrtausende zu lernen und zu sehen, dass sie uns damals mit ihrer Kunst weit voraus waren. Ich habe ihre Werke gründlich studiert und vieles davon mit meinen Pferden ausprobiert - dann erst versteht man diese Schriften wirklich und bekommt allergrößte Achtung vor dem Wissen der Autoren, die ohne jegliche wissenschaftliche Untersuchungen, Belege oder Studien, nur aus ihren Erfahrungen und Beobachtungen heraus zu Biegungen, Seitengängen und höchster Versammlung gefunden haben.

Einige der wichtigsten dieser Meister und ihre Lehren möchte ich hier vorstellen.

Neapolitaner (Italienische Pferderasse) - Ideal der damaligen Pferde
Neapolitaner (Italienische Pferderasse) - Ideal der damaligen Pferde

Xenophon

etwa 430 - 355 v.Chr.

Xenophon ist nach Simon von Athen vermutlich der erste große Reitmeister.

Er war ein griechischer Politiker, Feldherr und Schriftsteller.

Als Sohn reicher Eltern genoss er eine sehr gute Ausbildung, u.a. bei dem großen Philosophen Sokrates. Später leitete er Kriegszüge nach Persien, wo er die Überlegenheit deren schneller Reiterei am eigenen Leib erfuhr. Die Perser waren zu der Zeit eine starke Reitmacht und Xenophon brachte ihre Reitkultur mit nach Griechenland, wo der Umgang mit den Pferden bisher eher auf Zwang basierte.

Xenophon verfasste zwei Werke zur Reitkunst: ´Hipparchikos´ (Reiterkommandant) und ´Hippike´ (Reitkunst). Seine Lehre basiert auf einer gewaltfreien Partnerschaft mit dem Pferd, erstmals wird auf die Psyche und das Wohlbefinden des Pferdes eingegangen und nach dem Belohnungsprinzip gearbeitet. Zudem spricht er von gymnastischen Übungen zur Erreichung der Versammlung, da so das Pferd vor körperlichem Schaden bewahrt wird und es besser zu beherrschen ist.

Xenophon verfasste auch die heute noch bekannten Ausbildungsgrundsätze, die eine große Verantwortung, Liebe und Respekt gegenüber dem Pferd zeigen. 

 

"Dein Pferd sei zuverlässiger Freund, nicht Sklave!"



Frederico Grisone

etwa 1507 - 1570 n.Chr.

Frederico Grisone war ein italienischer Reitmeister, er wird oft als ´Vater der Reitkunst´ bezeichnet.

1532 eröffnete er in Neapel (Italien) die erste Reitakademie und bewirkte damit die Gründung vieler Weiterer. 

An einer Reitakademie lernten die jungen Edelmänner neben der Reitkunst auch Sprachen, Philosophie, Kunst, Musik, Fechten usw.

Grisone veröffentlichte 1550 sein Werk ´Ordini di Cavalcare´ (Anweisungen zur Reitkunst), das heute kontrovers diskutiert wird. Er arbeitete nämlich mit etwas mehr Druck als später üblich, aber damals wurden die Pferde noch im Kampf eingesetzt und von ihrer Folgsamkeit hing das Leben ihrer Reiter ab.

 

Terre à terre zur Zeit von Frederico Grisone
Terre à terre zur Zeit von Frederico Grisone


Antoine de Pluvinel

etwa 1555 - 1620 n.Chr.

Antoine de Pluvinel war ein französischer Reitmeister; er lehrte u.a. den jungen König Ludwig XIII. die Reitkunst. 

Pluvinel lernte sechs Jahre lang in Neapel an der Reitakademie von Giovanni Pignatelli (Schüler von Grisone). Nach seiner Rückkehr nach Frankreich eröffnete er 1594 seine ´Academie d´Equitation´ in Paris, deren bekannteste Schüler der Cardinal de Richelieu und William Cavendish, Duke of Newcastle waren.

1623 verfasste Pluvinel sein Werk ´Manège Royal´, das in Form eines Dialogs mit dem jungen König Ludwig XIII. über die Ausbildung von Pferd und Reiter geschrieben ist.

Er gilt als Erfinder der Arbeit zwischen zwei Pilaren und als der Erste, der die Arbeit an der Hand nutzte.

Seine Reitlehre ist geprägt von großem pädagogischen Einfühlungsvermögen in die Pferde, von Sanftheit und Geduld; auch arbeitete Pluvinel viel mit Seitengängen und den Kunstgangarten wie dem Terre à terre. Die praktische Ausbildung der Pferde für den Kriegsdienst, also Lanzenreiten oder andere Waffenübungen, nehmen einen großen Teil seiner Lehre ein.

 

"Wir reiten seitwärts, um das Pferd geraderichten zu können."

"Das Pferd muss selber Freude an der Reitbahn haben, sonst wird dem Reiter nichts mit Anmut gelingen."

"Wir sollten besorgt sein, das junge Pferd nicht zu verdrießen und seine natürliche Anmut zu erhalten, denn sie gleicht dem Blütenduft, der einmal verflogen, niemals wiederkehrt."

aus ´Manège Royal´ von Antoine de Pluvinel
aus ´Manège Royal´ von Antoine de Pluvinel


Duke of Newcastle

etwa 1593 - 1676 n.Chr.

William Cavendish, Duke of Newcastle war ein englischer General, Politiker und Reitmeister von Charles II.

Er war ein äußerst gebildeter Mann, Kunstliebhaber, sowie Freund und Patron der Philosophen Thomas Hobbes und Descartes.

Newcastle war General der Truppen im Krieg gegen Schottland und musste danach (1644) ins Exil nach Belgien gehen. Hier widmete er sich bis zu seiner Rückkehr nach England ganz der Reitkunst, verfasste auch sein Werk ´The General System of Horsemanship´, 1658 (Das Allgemeine System der Pferdeausbildung). 

Er gilt als Erfinder des Schulterherein auf der Volte und auch sonst ist sein Werk eine Sammlung wunderschöner Gedanken, voller Liebe und Verständnis für das Pferd. Meiner Meinung nach wird Newcastle nicht die Bedeutung beigemessen die er für die Reitkunst hatte.

Die so häufig diskutierte extreme Halsbiegung seiner Pferde auf seinen Stichen dürfte übrigens nicht der Wahrheit entsprochen haben, es handelt sich um eine Fehlinterpretation des Künstlers. In dieser Haltung könnten sich die Pferde zum Einen kaum bewegen, zum Anderen finden sich in den Texten keine Hinweise auf dieses Extrem.

 

"Geduld ist eines der Geheimnisse bei der Pferdeausbildung."

"Das Pferd auf die Hinterhand zu bringen ist die Quintessenz unserer Kunst, denn wenn es dort ist, kann es tun was immer man sich von ihm wünscht."

"Das Pferd ist nach dem Menschen das nobelste aller Tiere. Es ist weise und scharfsinnig, weswegen man Acht geben muss seine Herrschaft über es zu erhalten, wohl wissend, wie nah dessen Weisheit und Feinsinn unserer eigenen kommt."

Der korrekte Sitz des Reiters - Duke of Newcastle
Der korrekte Sitz des Reiters - Duke of Newcastle


Francois Robichon de la Guérinière

etwa 1688 - 1751 n.Chr.

Guérinière war ein französischer Reitmeister und Schriftsteller. Er ist vielleicht der bekannteste und einflussreichste unter den Reitmeistern der vergangenen Jahrhunderte. Heute noch berufen sich alle modernen Reitlehren auf ihn als ihren Ursprung.

Guérinière lernte seine Kunst zehn Jahre lang an einer Akademie in Paris, bevor er 1717 dort seine eigene Reitakademie eröffnete. Ab 1730 leitete er zudem die königliche Reitschule in den Tuilerien.

Zur Zeit des Barock wurde das Reiten zum ersten Mal als reine Kunstform ohne praktischen Zweck (z.B. Krieg) betrieben. Man betrachtete die Ausbildung der Pferde nun als eine Vervollkommnung und Erhöhung der Natur und konnte jedes Pferd ganz individuell, nur gemäß seinen Anlagen fördern.

Im Jahre 1733 wurde Guérinières Werk "École de Cavalerie" (Schule der Reitkunst) veröffentlicht.

Hier legte er den heute noch üblichen, aufrechten Gleichgewichtssitz, ungezwungen und mit schwingender Reiterhüfte, fest. Zudem beschrieb er als Erster eine der nützlichsten Übungen der Reitkunst: Das Schulterherein auf der Geraden.

 

"Alle Menschen lieben Pferde. Ein Reiter der sein Pferd nicht liebt, wird sich letztlich nur selbst in Gefahr bringen."

"Anmut ist eine große Zierde des Reiters. Unter Anmut verstehe ich einen Hauch von Leichtigkeit und Freiheit. Dies muss sich einer korrekten und geschmeidigen Haltung unter Beibehaltung des exakten Gleichgewichts zeigen."

"Das Einstellen der Zügel - und Beinhilfen (´Descente de main et des

jambes´): Dies kann nur auf einem sehr gut ausgebildeten Pferd erfolgen, welches sich in jeder Gangart so sicher im Gleichgewicht befindet, dass es sich weiterhin unverändert in bester Haltung, zeitweise jeder ersichtlichen Kontrolle enthoben, bewegen kann."

Das Ideal des Reitersitzes in der Piaffe
Das Ideal des Reitersitzes in der Piaffe


Francois Baucher

1796 - 1873 n.Chr.

Baucher war ein französischer Reitmeister, der vor allem durch die Demonstration seiner Reitkunst im Circus bekannt wurde.

Als Jugendlicher verbrachte er längere Zeit in Italien, wo er auch das Reiten erlernte. Zurück in Frankreich widmete er sich der Weitergabe seiner Erkenntnisse in seinen beiden Reitschulen, sowie der Niederschrift seiner Theorien.

Besonders an Baucher war, dass er als Erster die Notwendigkeit erkannte, die nicht mehr ganz zeitgemäßen Lehren der Alten Meister an den neuen, blütigen Rechteck-Pferdetyp anzupassen. Durch Beobachten, Nachdenken und Experimentieren kam Baucher zu erstaunlichen Ergebnissen. Er ist heute leider sehr umstritten, weil seine Lehren nur für wahre Könner mit viel sog. ´Reitertakt´ zu gebrauchen sind und deren gibt es nicht viele. Einige seiner Schüler hatten dieses Talent anscheinend nicht und haben mit ihren Pferden nicht die Ergebnisse bekommen, die Baucher im Sinn hatte und auch selbst demonstrierte. So kam es, dass er schon zu Lebzeiten ebenso viele Bewunderer wie Gegner hatte.

Sein genialer Geist ersann außerdem einige neue Schulen, z.B. die fliegenden Galoppwechsel von Sprung zu Sprung (Einerwechsel), den Galopp rückwärts oder die Galopppirouette auf drei Beinen.

1833 veröffentlichte Baucher sein erstes Werk "Methode der Reitkunst", welches er im Jahre 1863 stark überarbeitet unter dem Titel "Zweite Manier" neu auflegte.

Bekannte Lehrsätze wie "Hand ohne Bein, Bein ohne Hand" stammen von ihm. Gemeint ist, dass die Hilfen immer in Sekundenbruchteilen aufeinanderfolgen sollen, aber niemals gleichzeitig um sich nicht gegenseitig aufzuheben und das Pferd zu verwirren.

Oder die Technik des "decomposer", also das Trennen von Form und Bewegung. Das bedeutet, dass jedesmal wenn in einer Gangart die gweünschte Form (z.B. Beizäumung, Seitwärtsbewegung) verloren geht, zunächst die Bewegung fortgenommen wird, indem man zum Halten pariert und in Ruhe wieder die Form herstellt - dann kann wieder angeritten werden.

Auch wünschte Baucher sich eine andere Form des Gleichgewichts des Pferdes. Die Alten Meister wollten den Großteil des Gewichtes auf den stark gebogenen Hanken haben - Baucher wünscht sich die Gewichtsverteilung genau gleichmäßig auf Vor-und Hinterhand. Was nun für das Pferd besser ist, sei dahingestellt.

 

"Das Trachten des Reiters sei dahin gerichtet, den Schwerpunkt stets auf die Mitte des Pferdes zu legen, so vermeidet er Widersetzlichkeiten und vereinigt die Kräfte des Pferdes auf dem rechten Platz."
"Der Schritt ist die Mutter aller Gangarten. Nur durch sorgfältige Schulung in dieser kann Kadenz, Regelmässigkeit und Räumigkeit der anderen erzielt werden."

"Zusammenschieben (starke Versammlung):

1. Vollkommene Weichheit des Halses und der Hanken

2. Vollkommenes Am-Zügel-Sein, als Folge jenes Weichmachens

3. Vollständige Beherrschung der Kräfte des Pferdes"

Francois Baucher auf einem Vollblüter in der Passage
Francois Baucher auf einem Vollblüter in der Passage


Gustav Steinbrecht

1808 - 1885 n.Chr.

Steinbrecht war ein deutscher Reitmeister, der größten Einfluss auf die Entwicklung der Reiterei in Deutschland hatte.

Er war ein Schüler des ebenfalls bekannten Reitmeisters Louis Seeger und übernahm später die Leitung dessen Reitschule in Berlin.

Steinbrecht verband die Lehren der Alten Meister mit der Forderung der modernen Zeit nach mehr Vorwärtsbewegung und Massentauglichkeit.

Man könnte anfügen, dass dieser Kompromiss ein wenig zu Lasten der Leichtheit und ´Perfektion´ führte.

Sein berühmtes Werk "Das Gymnasium des Pferdes" kam 1884 auf den Markt - es wurde zu einem Standartwerk der Reitliteratur und zur Vorlage der Heeresdienstvorschrift Nr.12 (Hdv 12) zur Ausbildung der Armee.

 

Der Grundsatz von Steinbrechts Reitlehre - "Reite dein Pferd vorwärts und richte es gerade" - ist ebenso brilliant wie er oft fehlinterpretiert wurde.

Gemeint ist nämlich nicht das viel zu schnelle Reiten auf einem immer geraden Pferd ohne Seitengänge, wie es leider häufig in der Sportreiterszene vorgemacht wird, sondern das Gegenteil:

Immer den Impuls und das Vortreten der Hinterbeine nach vorne erhalten - auch bei der Piaffe auf der Stelle, den Seitwärtsbewegungen oder dem Rückwärtsgehen.

Und das Geraderichten des Pferdes ist nur das Ziel, das am Ende der Arbeit mit Biegungen und Seitengänge steht, kann aber niemals ohne diese erreicht werden.

 

"Die richtige Dressur ist daher eine naturgemäße Gymnastik für das Pferd, durch die seine Kräfte gestählt, seine Glieder gelenkig gemacht werden."

"Der Bereiter hat seine Aufgabe erfüllt und sein Pferd vollkommen ausgebildet, wenn er die beiden in der Hinterhand ruhenden Kräfte, die Schieb-und Tragkraft, letztere in Verbindung mit der Federkraft, zur höchsten Entfaltung gebracht hat und in ihren Wirkungen wie ihrem Verhältnis zueinander beliebig abzuwägen vermag."

Gustav Steinbrecht
Gustav Steinbrecht


Nuno Oliveira

1925 - 1989 n.Chr.

Nuno Oliveira war ein portugiesischer Reitmeister, meiner Meinung nach der herausragendste des 20.Jahrhunderts.

Er lernte die Reitkunst bei Joaquim Goncalves de Miranda und widmete sich nach seinem Schulabschluss ganz den Pferde; in den 50er Jahren eröffnete er seine eigene Reitschule in Lissabon.

In den 60ern begann er mit verschiedenen seiner Pferde die ganze Welt zu bereisen, um seine Kunst zu verbreiten.

Das Besondere an Oliveiras Arbeit ist, dass er die Lehren von Guérinière, Baucher und Steinbrecht, also Alt und Modern, miteinander verband und indem er seine eigenen Erkenntnisse hinzufügte, etwas Neues, Einzigartiges schuf. Er lernte durch Lesen und Beobachten und das Austesten der Theorien an verschiedenen Pferden. Dadurch konnte er einen Stil entwickeln, der so vollkommen individuell nach jedem einzelnen Pferd geht, wie es vor ihm noch niemand getan hatte.

Seine Arbeit war geprägt von Liebe und Respekt zu den Pferden. Er konnte jedes Pferd brillieren lassen durch die völlige Entspannung und Leichtigkeit.

Ab 1963 veröffentlichte Oliveira mehrere Bücher, keine kompletten Reitlehren, sondern kurze Tipps zu allen möglichen Situationen, die im Laufe der Ausbildung eines Pferdes auftreten mögen. Sie zeichnen sich durch knappe, präzise Formulierungen aus, die wunderbar das Gefühl hinter der ´Technik´ beschreiben und seine Werke einmalig inspirierend machen.

 

"Oliveiras Reitweise basiert auf den drei Grundsätzen Versammlung, Schwung und Leichtigkeit, wobei ersteres und letzteres so perfekt sind, dass es die Vorstellungskraft der meisten Reiter übersteigt. Es ist die Leichtigkeit, die den Zuschauer am Meisten beeindruckt und Nuno Oliveiras größten Beitrag zur Dressur des 20. Jahrhunderts ausmacht."

"Ein Pferd ausbilden bedeutet vor allem fühlen und ausprobieren und dann, gemessen an dem was man fühlt, dem Pferd zu helfen und es nicht zu zwingen."

"Kunst ist kein Wettkampf. Kunst ist Liebe. Nun frage ich Sie: Wie viele Menschen erkennen das?"

"Das Pferd ist der beste Richter des guten Reitens, nicht der Zuschauer. Wenn das Pferd eine gute Meinung von seinem Reiter hat, überlässt es sich seiner Führung, wenn nicht, wird es sich widersetzen."

"Impuls ist ein mentaler und physischer Zustand des Pferdes, den Wünschen des Reiters so schnell wie möglich zu entsprechen, sich vorwärts zu bewegen und diesen Vorwärts-Impuls ohne die Unterstützung der Hilfen zu erhalten. Es bedeutet eine ständige Vibration innerhalb des Pferdes, nicht rennen!"

"Das Geheimnis des Reitens ist wenige Dinge richtig zu machen. Je mehr man tut, desto weniger Erfolg wird man haben. Je weniger man tut, desto mehr wird man erreichen."

"Ich möchte keine Reiter die körperlich hart arbeiten. Arbeite durch denken."

"Der Reiter kontrolliert das Pferd mit seiner Hüfte."

Nuno Oliveira - Levade/Pesade
Nuno Oliveira - Levade/Pesade